Befugnisse der Regulierungsbehörde im Genehmigungsverfahren

29.9.2025

Ist die Regulierungsbehörde für den Gas und Strommarkt (E-Control) bei der Genehmigung bzw. Festlegung von Methoden zur Berechnung von Gas-Fernleitungsnetzentgelten iSd der RL 2009/73/EG (GasBinnenmarktRL) bzw. der VO (EU) 2024/1789 an den Antrag des Fernleitungsnetzbetreibers gebunden oder kann sie eine Methode auch einseitig von Amts wegen festlegen, wenn der eingebrachte Antrag des Fernleitungsnetzbetreibers nicht genehmigungsfähig ist?

W282 2297982-1 vom 10.9.2025, C-604/25
W 271 2280821-1 vom 10.9.2025, C-605/25

Im Beschwerdeverfahren stehen sich die nationale Regulierungsbehörde für den Strom- und Erdgasmarkt, die Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts-und Erdgaswirtschaft (E-Control) und ein auf dem österreichischen Markt für Gasfernleitungen tätiger Fernleitungsnetzbetreiber (kurz: „FNB“) gegenüber.

Im Fokus der Fragen 1 bis 3 (siehe unten) steht gegenständlich der Umstand, wie weit die Befugnisse und das Regulierungsermessen der E-Control in Bezug auf die Genehmigung bzw. Festlegung von Methoden zur Berechnung der Entgelte für den Netzzugang der Fernleitungsnetzbetreiber iSd Art. 41 Abs. 1 u. 6 RL 2009/73/EG i.V.m Art. 17 Abs. 1 VO (EU) 2024/1789 reichen (müssen). Ausgangspunkt des Rechtsstreites ist die Frage, wie genau die Wendung in Art. 41 Abs. 1 RL 2009/73/EG (nach 05.08.2026: Art. 78 Abs. 1 RL (EU) 2024/1788) zu verstehen ist, wonach die E-Control anhand transparenter Kriterien die Fernleitungs- oder Verteilungstarife bzw. die entsprechenden Methoden festzulegen oder zu genehmigen hat und ob die vom österreichischen Gesetzgeber dementsprechend umgesetzte Regelung des § 69 Abs. 2 i.V.m § 82 Abs. 1 u. 4 des Gaswirtschaftsgesetzes 2011 den unionsrechtlichen Vorgaben gerecht wird. Den Kernpunkt stellt dabei die Frage dar, ob die E-Control bei der Festlegung bzw. Genehmigung der oben angesprochenen Methode an einen Antrag des FNB gebunden sein kann und nur diesen entweder genehmigen oder nicht genehmigen kann, oder andererseits auch bei Vorliegen eines Antrages auf Genehmigung einer Methode eines FNB, den die E-Control aber als nicht genehmigungsfähig beurteilt, amtswegig eine eigene Methode festlegen bzw. genehmigen können muss.

Der Fokus der Frage 4 zielt auf verfahrensrechtliche Aspekte nationaler gerichtlicher Rechtsmittelverfahren gegen Entscheidungen der RegB für den Strom und Gasmarkt ab, mit denen Kosten bzw. Mengengerüste und Zielvorgaben von Gas-Fernleitungsnetz- bzw. Gas-Verteilernetzbetreibern festgelegt bzw. die diesbezüglichen Methoden festgelegt oder genehmigt werden. Angesichts des auch unionsrechtlich determinierten weiten Ermessensspielraums der RegB in diesem Bereich stellt sich für das vorlegende Gericht die verfahrensrechtliche Frage, ob im Falle eines nicht vollständig geklärten und feststehenden Sachverhalts das nachprüfende (Verwaltungs-)Gericht eine Entscheidung über das erhobene Rechtsmittel in der Sache selbst (reformatorisch) zu treffen hat und somit zumindest in Teilen an Stelle der RegB deren Regulierungsermessen auszuüben hat oder ob in diesem Fall lediglich aus unionsrechtlichen Erwägungen eine kassatorische Entscheidung unter Zurückverweisung der Rechtssache zur erneuten Entscheidung an die RegB zulässig ist.

Die Vorlagefragen im Wortlaut:

1. Ist Art. 41 Abs. 1 lit a) i.V.m. Abs. 6 RL 2009/73/EG i.V.m. Art. 17 Abs. 1 VO (EU) 2024/1789 (ex. Art. 13 Abs. 1 VO (EU) 715/2009) dahingehend auszulegen, dass der nationale Gesetzgeber in Umsetzung des Art. 41 Abs. 1 u. 6 RL 2009/73/EG i.V.m. Art. 17 Abs. 1 VO (EU) 2024/1789 hinsichtlich der zu genehmigenden bzw. festzulegenden Methoden zur Berechnung der Fernleitungsnetzentgelte eindeutig zu bestimmten hat, ob entweder

 a) die nationale Regulierungsbehörde (RegB) eine Methode iSd Art. 41 Abs. 1 u. 6 RL 2009/73/EG i.V.m. Art. 17 Abs. 1 VO (EU) 2024/1789 ausschließlich auf entsprechenden Antrag des FNB genehmigen kann,

 b) oder die RegB eine solche Methode ungeachtet eines eingereichten Antrags auch einseitig von Amts wegen festlegen kann.

2. Wenn Frage 1 dahingehend beantwortet wird, dass sich der nationale Gesetzgeber in Umsetzung des Art. 41 Abs. 1 lit. a) u. Abs. 6 lit. a) RL 2009/73/EG für eine der oben genannte Varianten a. oder b. zu entscheiden hat: Ist die Bestimmung des § 69 Abs. 2 des Gaswirtschaftsgesetzes 2011 mit den oben genannten Bestimmungen des Unionsrechts in Einklang zu bringen, wenn diese anordnet, dass die RegB die vom Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) „[..] gemäß [..] eingereichten Methoden auf Antrag des Fernleitungsnetzbetreibers oder von Amts wegen periodisch mit Bescheid zu genehmigen“ hat?

3. Wenn Frage 1 so beantwortet wird, dass keine eindeutige Systementscheidung vom nationalen Gesetzgeber getroffen werden muss: Ist eine Bestimmung des nationalen Rechts mit den genannten Bestimmungen des Unionsrecht – dies vor dem Hintergrund des Art. 41 Abs. 1 lit. a) u. Abs. 6 lit. a) RL 2009/73/EG – vereinbar, die es der RegB überlässt, trotz eines vom FNB eingereichten Antrags auf Genehmigung einer Methode, eine vom Antrag des FNB abweichende Methode dennoch von Amts wegen endgültig festzulegen, dies vor dem Hintergrund, dass die RegB die vom FNB eingereichte und bereits auf Aufforderung abgeänderte Methode für nicht genehmigungsfähig hält?

4. Ist eine Bestimmung des nationalen Verfahrensrechtes (unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen höchstgerichtlichen Rechtsprechung) mit dem Unionsrecht vereinbar, wenn diese anordnet, dass ein Gericht, das eine Entscheidung einer RegB i.S.d Art. 41 Abs. 1 u. 6 RL 2009/73/EG in einem Rechtsmittelverfahren überprüft, sowohl im Fall des Feststehens als auch des Nichtfeststehens des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes, eine Entscheidung in der Sache selbst zu treffen hat, was einschließt, dass das Gericht (sein) Regulierungsermessen an Stelle jenes der RegB zu setzen hat.