Ausgewählte Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

zu Entscheidungen


Wildtierriss auf Nachbaralm. Vorzeitiger Almabtrieb wird als außergewöhnlicher Umstand anerkannt

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat den Beschwerden von Tiroler Landwirten Folge gegeben und der Behörde (Agrarmarkt Austria – AMA) die Neuberechnung der Direktzahlungen, ein Kernelement der EU-Agrarförderung, aufgetragen.

Für den Almauftrieb von Rindern, Schafen und Ziegen kann in Österreich eine tierbezogene Zahlung gewährt werden. Die europarechtlichen Bestimmungen sehen dafür eine Mindestalpungsdauer von 60 Tagen vor. Das heißt, die Tiere müssen (während der Sommermonate) für rund zwei Monate auf den Gebirgsweiden gehalten werden. Im Fall der Tiroler Landwirte wurde diese Mindestalpungsdauer unterschritten, weshalb die AMA als zuständige Behörde Beihilfenkürzungen verhängte.

Die Landwirte begründeten den vorzeitigen Abtrieb mit dem Schutz der Tiere. Konkret brachten sie vor, dass die Tiere wegen höherer Gewalt und zwar wegen eines massiven Rissgeschehens durch Wolf und Bär auf der Nachbaralm vorzeitig abgetrieben worden seien. Nach Ansicht der Behörde fallen jedoch erst Risse auf jener Alm, auf die aufgetrieben wurde, unter höhere Gewalt, nicht jedoch bereits Risse auf Nachbaralmen. Aus diesem Grund wurden die mit dem Almauftrieb verbundenen Zahlungen nicht ausbezahlt. Dagegen beschwerten sich die Landwirte beim BVwG, das diesen Recht gab und der Behörde die Neuberechnung der Direktzahlungen auftrug.

Die zuständige Richterin des BVwG kam zum Schluss, dass die aktuelle Verwaltungspraxis der Behörde, die im Falle von Nutztierrissen den Abtrieb aller Tiere der betroffenen Alm, nicht jedoch von Nachbaralmen, zulässt, unsachlich ist. Da den Almverantwortlichen im Jahr 2021 kaum wirksame Abhilfemöglichkeiten zur Verfügung gestanden sind und die Nutztiere der beschwerdeführenden Parteien aufgrund von außergewöhnlichen Umständen von zwei großen Beutegreifern (Wolf und Bär) binnen kurzer Zeit hätten erreicht werden können, stand den beschwerdeführenden Parteien – auch aus tierschutzrechtlicher Sicht – nur mehr der Abtrieb der Tiere als wirksame Abhilfemaßnahme zur Verfügung.

Erkenntnis vom 29.08.2023, W113 2265618-1/4E
Erkenntnis vom 29.08.2023, W113 2265619-1/10E


Keine Bewilligung für das Pumpspeicherwerk Koralm – Europaschutzgebiet wurde nicht ausgewiesen

Der Antrag auf Genehmigung des Pumpspeicherwerks Koralm wird abgewiesen, da das Natura 2000-Gebiet Koralpe von der Steiermärkischen Landesregierung noch nicht als Europaschutzgebiet ausgewiesen wurde. Für das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ist die Durchführung einer Naturverträglichkeitsprüfung unter diesen Voraussetzungen nicht möglich. Die Erlassung der fehlenden Verordnung des Europaschutzgebiets liegt nicht im Zuständigkeitsbereich des BVwG.

Das BVwG hat die gegen den UVP-Genehmigungsbescheid eingebrachten Beschwerden von insgesamt 17 Parteien behandelt. Der zuständige Senat führte umfangreiche ergänzende Ermittlungstätigkeiten durch, bestellte Sachverständige für verschiedene Fachgebiete und erörterte die Ermittlungsergebnisse mit den Verfahrensparteien an mehreren Verhandlungstagen. Darüber hinaus wurde ein Lokalaugenschein im Projektgebiet durchgeführt.

Mit dem EU-Beitritt trat auch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) in Österreich in Kraft, deren Ziel es ist, die Erhaltung der biologischen Vielfalt zu fördern. Zu diesem Zweck wurde das europäische Schutzgebietsnetz „Natura 2000“ etabliert. Dabei verpflichten sich die Mitgliedstaaten, besondere Schutzgebiete zu melden, zu erhalten und zu entwickeln. Nach der FFH-RL hätten spätestens im Jahr 2004 alle gemeldeten Gebiete zu Europaschutzgebieten erklärt und ausgewiesen werden müssen.

Der zuständige Senat des BVwG hat festgestellt, dass das Natura 2000-Gebiet Koralpe zwar an die Europäische Kommission gemeldet, aber bislang noch nicht von der Steiermärkischen Landesregierung als Europaschutzgebiet verordnet wurde.

Das Steiermärkische Naturschutzgesetz 2017 (StNSchG 2017) sieht einen vorläufigen Schutz für zukünftige Europaschutzgebiete vor. Das heißt, dass in einem Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung bis zur Erklärung zum Europaschutzgebiet (womit die Verordnung durch die Landesregierung gemeint ist) alle Handlungen verboten sind, die zu erheblichen Beeinträchtigungen der für den Schutzzweck maßgeblichen Schutzgüter führen können.

Da das von der Landesregierung gemeldete – aber noch nicht ausgewiesene – Gebiet durch das Vorhaben erheblich beeinträchtigt werden würde, war der Antrag auf Genehmigung des Pumpspeicherwerks Koralm abzuweisen, wodurch auch die gegen den Genehmigungsbescheid eingebrachten Beschwerden als erledigt gelten. Darüber hinaus wurde das Gebiet (was dessen Fläche betrifft) unvollständig gemeldet sowie die Erhaltungsziele (was die Anzahl der Lebensraumtypen betrifft) unvollständig definiert. Auch aufgrund dieser fehlerhaften Nominierung des Europaschutzgebietes Koralpe ist die Durchführung einer Naturverträglichkeitsprüfung für das BVwG nicht möglich.

Bei diesem Ergebnis war auch nicht weiter darauf einzugehen, ob wegen der offenkundig zutage getretenen eklatanten Ermittlungsmängel in zahlreichen Fachbereichen allenfalls die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Genehmigungsbescheids und für eine Zurückverweisung des Genehmigungsverfahrens an die Steiermärkische Landesregierung vorgelegen wären.

Erkenntnis vom 30.06.2023, W109 2247200-2/201E


ÖBB darf Westbahnstrecke weiter ausbauen – aber unter neuen Auflagen 

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) erteilt der ÖBB-Infrastruktur AG weitere Genehmigungen für den viergleisigen Ausbau der Westbahnstrecke im Abschnitt Linz – Marchtrenk. Das BVwG hat die gegen das Projekt eingebrachten Beschwerden umfassend geprüft. Im Ergebnis wurde das Vorhaben genehmigt, jedoch mit neuen Auflagen bzw. wurden bereits vorhandene Auflagen abgeändert. Die Entscheidung des BVwG kann durch eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) und/oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) bekämpft werden. 

Die Genehmigung großer Infrastrukturprojekte wie beispielsweise von Hochleistungsstrecken findet im sogenannten teilkonzentrierten Genehmigungsverfahren statt. Dabei wird das durch die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) zu führende UVP-Verfahren durch ein weiteres UVP-Verfahren ergänzt, das bei der jeweiligen Landesregierung angesiedelt ist. Beide Behörden haben die jeweils in ihren Kompetenzbereich fallenden – für die Ausführung des Vorhabens erforderlichen – Bestimmungen anzuwenden.  

Auf Antrag der Projektwerberin bzw. des Projektwerbers kann zudem eine Aufteilung des UVP-Verfahrens in eine Grundsatz- und eine Detailgenehmigung erfolgen. In einem solchen Fall wird zunächst über alle Belange abgesprochen, die zur Beurteilung der grundsätzlichen Umweltverträglichkeit des Vorhabens erforderlich sind. Im Zentrum steht dabei vor allem die Sicherstellung des Trassenverlaufs. In einem weiteren – gesondert durchzuführenden – Verfahren erfolgt die Detailgenehmigung. Dabei ist zu prüfen, ob das eingereichte Detailprojekt die materienrechtlichen Erfordernisse (wie etwa die Bestimmungen des Eisenbahn-, Forst-, Wasser- und Luftfahrtrechtes) erfüllt und den Vorgaben der Grundsatzgenehmigung entspricht. 

Dem Vorhaben der ÖBB, den Abschnitt Linz – Marchtrenk viergleisig auszubauen, wurde bereits im mit Erkenntnis des BVwG vom 24.04.2020, W248 2194564-1/172E, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Grundsatzgenehmigung erteilt. Über die Beschwerden gegen die Detailgenehmigung und gegen die im teilkonzentrierten UVP-Verfahren erteilte naturschutzrechtliche Bewilligung liegt nunmehr die Entscheidung des BVwG vor. Der zuständige Senat kam zum Schluss, dass keine Hindernisse bestehen, denen nicht durch die Vorschreibung entsprechender zusätzlicher Nebenbestimmungen begegnet werden könnte. 

Die Hauptanliegen der Beschwerdeführer:innen, eine Tieferlegung und Einhausung der Eisenbahntrasse im Bereich der Stadtgemeinde Leonding vorzuschreiben sowie die bisherige Trassenführung im Bereich der Gemeinde Pasching beizubehalten (an Stelle der im Projekt vorgesehenen Trassenverschwenkung zum Flughafen Hörsching), wurden abgewiesen, da die Trasse bereits im Grundsatzgenehmigungsverfahren festgelegt wurde und eine Tieferlegung bzw. Einhausung von der ÖBB-Infrastruktur AG nicht beantragt wurde. Die von den Beschwerdeführern bzw. Beschwerdeführerinnen geforderten Projektänderungen würden zu einem wesentlich geänderten Projekt führen, was nach der Judikatur des VwGH nicht zulässig ist. 

Erkenntnis vom 19.06.2023, W248 2249759-1/106E und W248 2249888-1/92E


Kindergarten-Liste verletzt das Recht auf Geheimhaltung der betroffenen Familien

Bundesverwaltungsgericht weist Beschwerde eines niederösterreichischen Bürgermeisters gegen Bescheid der Datenschutzbehörde ab.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat die Entscheidung der Datenschutzbehörde vom 07.08.2018 bestätigt, wonach die Übermittlung personenbezogener Daten im konkreten Fall das Recht auf Geheimhaltung der Betroffenen verletzt.

In einer niederösterreichischen Ortschaft sahen sich zwei betroffene Mütter (für ihre minderjährigen Kinder) im Recht auf Geheimhaltung gemäß Datenschutzgesetz (Art. 1 DSG) verletzt, indem der Bürgermeister der Marktgemeinde Listen an alle Erziehungsberechtigten der Kinder des örtlichen Kindergartens verschickt hatte, aus welcher Name, Geburtsdatum, Adresse, Eintrittsdatum, Minustage, Gesamttage und Kos­tenanteil der Kinder hervorgingen. In ihrer Beschwerde brachten die Mütter vor, dass der Bürgermeister vor der Versendung des Briefes mit diesen Listen keine Einwilligung der Betroffenen zur Weitergabe eingeholt hätte. Die Datenschutzbehörde gab der Datenschutzbeschwerde statt und stellte fest, dass die Daten durch die Versendung missbräuchlich verwendet wurden.

Der Bürgermeister entgegnete in seiner Beschwerde gegen die Entscheidung der Datenschutzbehörde, dass aufgrund des gemeinsamen Interesses am Weiterbestand des Kindergartens (als Landeskindergarten) die Daten­weitergabe sogar im Interesse der Betroffenen und im öffentlichen Interesse erfolgt wäre. Die vor­genommene Ver­sendung des Briefes mit den (personenbezogene Daten enthaltenden) Listen sei datenschutz­rechtlich erforderlich gewesen und es habe ein legitimes Interesse zur Daten­weitergabe be­standen.

Der zuständige Senat, bestehend aus einer Richterin und zwei Laienrichtern, hat entschieden, dass der Bürgermeister der Marktgemeinde durch die Versendung des Briefes mit den Listen an andere Erziehungsberechtigte Daten im Sinne des Art. 6 DSGVO in unzulässiger Weise verarbeitet hat, weil zuvor keine Einwilligung der Betroffenen eingeholt worden war, und dadurch diese in ihrem Recht auf Geheimhaltung tatsächlich verletzt worden waren.

Erkenntnis vom 07.12.2021, W101 2208238-1/5E


Kraftwerk Tauernbach-Gruben

Das Wasserkraftwerk Tauernbach-Gruben darf gemäß Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G 2000) errichtet werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerden nach einer umfassenden Prüfung abgewiesen. Die Anlage ist als Ausleitungskraftwerk konzipiert. Das Jahresarbeitsvermögen beträgt 85 GWh.

Im Beschwerdeverfahren wurden die Beschwerden diverser Umweltorganisationen und mehrerer Nachbarinnen/Nachbarn behandelt, umfangreiche ergänzende Ermittlungstätigkeiten unter Heranziehung von Sachverständigen aus diversen Fachgebieten durchgeführt und die Ermittlungsergebnisse mit den Verfahrensparteien an mehreren Verhandlungstagen erörtert.

Inhaltlich bemängelten die Beschwerdeführer/innen im Wesentlichen, dass es durch das geplante Kraftwerksvorhaben zu erheblichen Beeinträchtigungen des Natura 2000-Gebiets „Osttiroler Gletscherflüsse Isel, Schwarzach und Kalserbach“ sowie zu Auswirkungen auf den in Anhang I der FFH-Richtlinie aufgelisteten Lebensraumtyp 3230 (Alpine Flüsse mit Ufergehölzen mit Myricaria germanica) komme. Darüber hinaus befürchteten die beschwerdeführenden Parteien kumulierende, den Naturschutz betreffende Auswirkungen des Vorhabens im Zusammenhang mit anderen Projekten.

Der zuständige Senat kam unter anderem zum Schluss, dass die Auswirkungen des Vorhabens auf das Schutzgut „Pflanzen und deren Lebensräume“ unter Zugrundelegung der in der Umweltverträglichkeitserklärung vorgeschlagenen Maßnahmen und der in den Gutachten der beigezogenen Sachverständigen als erforderlich angesehenen Maßnahmen insgesamt als vertretbar einzustufen sind. Kumulative Effekte des Vorhabens im Zusammenhang mit anderen Projekten können ausgeschlossen werden.

Erkenntnis vom 15.03.2022, W193 2221567-1/72E


"Stadtstraße Aspern“ und „Anschlussstelle Seestadt Ost“ – Genehmigung der Änderung der Straßenbauvorhaben

Das Bundesverwaltungsgericht erteilt der von der Stadt Wien beantragten Änderung der Straßenbauvorhaben „Stadtstraße Aspern“ und „Anschlussstelle Seestadt Ost“ unter teilweiser Abänderung der Auflagen die Genehmigung. Die für bestimmte Bauabschnitte bzw. -bereiche beantragten Nacht- und Wochenendarbeiten sowie das Entfernen zusätzlicher Bäume ist somit unter Auflagen zulässig.

Aufgrund der erhobenen Beschwerden einer Umweltorganisation sowie zweier Bürgerinitiativen setzte das Bundesverwaltungsgericht ergänzende Ermittlungstätigkeiten, insbesondere durch Beiziehung von Sachverständigen in den Fachbereichen Humanmedizin und Naturschutz. Der zuständige Senat kam nach eingehender Bewertung aller Ermittlungsergebnisse zum Schluss, dass den Beschwerden teilweise Folge zu gegeben ist und der angefochtene Änderungsbescheid der Wiener Landesregierung vom 16.11.2021 abzuändern ist.

Dabei wurde insbesondere den Schutzgütern „Mensch“ und „Biologische Vielfalt“ sowie dem Baumschutz Rechnung getragen.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wurde am 18.02.2022 nach Durchführung der Beschwerdeverhandlung, in welcher strittige Fragen mit den Parteien und den beigezogenen Sachverständigen erörtert wurden, mündlich verkündet. Dabei wurde die Revision für zulässig erklärt, da nach Ansicht des entscheidenden Senates zumindest eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war. Insbesondere fehle es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, inwieweit eine Änderung einer gemäß § 17 oder § 18 UVP-G 2000 erteilten Genehmigung vor dem Zuständigkeitsübergang, der mit Rechtskraft des Abnahmebescheides erfolgt, überhaupt zulässig ist.

In weitere Folge wurde ein Antrag auf schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses, der gemäß den gesetzlichen verfahrensrechtlichen Bestimmungen Voraussetzung für die Zulässigkeit der Einbringung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und/oder einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt, beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht. Die schriftliche Ausfertigung des am 18.02.2022 mündlich verkündeten Erkenntnisses finden Sie hier:

Erkenntnis vom 19.05.2022, W270 2204219-4/114E


"Stadtstraße Aspern" und "Anschlussstelle Seestadt Ost" – Entscheidung über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung 

Änderung der Straßenbauvorhaben „Stadtstraße Aspern“ und „Anschlussstelle Seestadt Ost“ – Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung liegen nicht vor

Zum Änderungsverfahren

Die Wiener Landesregierung erteilte mit Bescheid vom 16.11.2021 unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen die Genehmigung für eine Änderung der Straßenbauvorhaben „Stadtstraße Aspern“ und „Anschlussstelle Seestadt Ost“. Darin schloss die Wiener Landesregierung in Spruchpunkt III. die aufschiebende Wirkung von Beschwerden gegen diesen Bescheid aus. Sowohl gegen den Änderungsbescheid als auch gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung wurden Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.

In Bezug auf den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III.) hat das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 04.02.2022 (W270 2204219-4/63E) den Beschwerden stattgegeben und diesen Spruchpunkt ersatzlos behoben. Der Richter/innensenat kam im Wesentlichen zum Schluss, dass die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG mangels einer „Gefahr im Verzug“ gegenständlich nicht vorliegen. Jedenfalls hat sich aber ergeben, dass ein solcher Ausschluss jeweils auch nicht „dringend geboten“ ist.

Eine Entscheidung über die Beschwerden gegen die durch die Wiener Landesregierung unter Auflagen genehmigten Änderungen (wie beispielsweise Nacht- bzw. Wochenendarbeiten oder die Neubeurteilung von Ersatzpflanzungsverpflichtungen nach dem Wiener Baumschutzgesetz) ist nach wie vor ausständig. Dazu wird das Bundesverwaltungsgericht am 18.02.2022 eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen.

Erkenntnis vom 04.02.2022, W270 2204219-4/63E

Zum bereits abgeschlossenen Genehmigungsverfahren

Die Vorhaben „Stadtstraße Aspern“ und „Anschlussstelle Seestadt Ost“ wurden mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 12.06.2018 genehmigt. Nach Abänderung des Bescheides durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.07.2020 (W2204219-1/158E) ist die Genehmigung rechtskräftig. All jene Baumaßnahmen, denen entsprechend der rechtskräftigen Entscheidung die Genehmigung erteilt wurden, können durchgeführt werden.

 Erkenntnis vom 22.07.2020, W2204219-1/158E


A 13 Brenner Autobahn, Generalerneuerung Luegbrücke 

Für das Vorhaben der Generalerneuerung der Luegbrücke der A 13 Brenner Autobahn ist keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerde der Gemeinde Gries am Brenner nach einer umfangreichen Prüfung abgewiesen.

Im Beschwerdeverfahren wurden ergänzende Ermittlungstätigkeiten unter Heranziehung von Sachverständigen durchgeführt und die Ermittlungsergebnisse mit den Verfahrensparteien im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erörtert.

In ihrer Beschwerde brachte die Gemeinde insbesondere vor, dass es sich beim geplanten Vorhaben um den Neubau einer Autobahn handelt, der unmittelbar eine UVP-Pflicht auslösen würde. Darüber hinaus führte sie eine Beeinträchtigung sämtlicher im Anhang 2 des UVP-G 2000 angeführten Kategorien schutzwürdiger Gebiete ins Treffen.

Der zuständige Senat kam zum Schluss, dass keine UVP durchzuführen ist, da es sich beim gegenständlichen Vorhaben weder um einen Neubau noch um einen Ausbau einer bestehenden Bundesstraße bzw. einer Anschlussstelle handelt. Bei der Generalerneuerung der Luegbrücke liegt vielmehr eine Ausbaumaßnahme sonstiger Art nach § 23a Abs. 2 Z 3 UVP-G 2000 vor.

Im Rahmen der Einzelfallprüfung, ob das Vorhaben ein schutzwürdiges Gebiet nach Anhang 2 UVP-G 2000 berührt, stellte der Senat fest, dass lediglich die Kategorie E (Siedlungsgebiet) durch das Vorhaben betroffen ist und mit einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzwecks des Siedlungsgebiets nicht zu rechnen ist, sodass auch aus diesem Grund keine UVP durchzuführen ist.

Erkenntnis vom 26.01.2022, W118 2241924-1/53E


Häuslicher Unterricht in illegaler Privatschule ist rechtswidrig

Das BVwG hat eine Beschwerdevorentscheidung der Bildungsdirektion für Wien bestätigt. Die Anzeige häuslichen Unterrichts in einer Privatschule, die sich der gesetzlich vorgesehenen Schulaufsicht entzogen hat, verstößt gegen das Gesetz.

Wer sein schulpflichtiges Kind von der Schule abmelden und ihm häuslichen Unterricht erteilen will, muss dies bei der zuständigen Bildungsdirektion anzeigen. Ein Ehepaar in Wien ließ seine Tochter im Volksschulalter in einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht im 19. Wiener Gemeindesbezirk unterrichten und zeigte dies durch die Verantwortliche der Einrichtung als häuslichen Unterricht für das gesamte Schuljahr 2020/21 (dritte Schulstufe) an.

Die Bildungsdirektion für Wien deutete dieses Vorgehen in einer Beschwerdevorentscheidung als Besuch einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht und untersagte die Teilnahme des Kindes am dortigen Unterricht. Dagegen erhoben die Mutter als Erstbeschwerdeführerin und die minderjährige Tochter als Zweitbeschwerdeführerin Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

Folglich wurde durch das BVwG geprüft, ob der angezeigte häusliche Unterricht tatsächlich als Besuch in einer Privatschule zu deuten ist und – wenn ja – dieser Unterricht jenem in einer öffentlichen Schule gleichwertig ist.

Das BVwG bestätigte die Rechtsansicht der Bildungsdirektion für Wien in beiden Punkten. Die Eltern haben in ihrer Beschwerde an das BVwG zwar vorgebracht, dass sehr wohl häuslicher Unterricht stattfände und die Schule diesen bloß unterstütze. Dies widersprach jedoch allen sonstigen Angaben in den als Beweise vorgelegten Dokumenten – wie der durch die Schulleitung vorgenommenen Anzeige des häuslichen Unterrichts in der Privatschule für das gesamte Schuljahr 2020/21 – und erschien somit nicht glaubwürdig.

Häuslichen Unterricht in eine Privatschule auszulagern ist grundsätzlich rechtens, sofern der Unterricht jenem an einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule gleichwertig ist. Ob der Unterricht als gleichwertig beurteilt wird, ist eine Ermessensentscheidung der Bildungsdirektion und wurde im vorliegenden Fall verneint.

Die Schule im 19. Wiener Gemeindebezirk hat die Bildungsdirektion für Wien nicht über deren Gründung informiert und entzieht sich der gesetzlich vorgesehenen Schulaufsicht. Ein entsprechender Strafantrag ist bereits im Dezember 2019 an das magistratische Bezirksamt übermittelt worden. Die Verantwortliche für die Schule verweigert eine Besichtigung der Schule durch die Wiener Bildungsdirektion.

Die belangte Behörde konnte unter diesen Umständen davon ausgehen, dass kein gleichwertiger Unterricht stattfindet. Der angefochtene Bescheid der Bildungsdirektion für Wien erweist sich somit als rechtmäßig. Die Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen.

Erkenntnis vom 04.02.2021, W128 2238952-2/6E


Umlegung von Wasserleitungen im Zusammenhang mit dem viergleisigen Ausbau der Westbahnstrecke im Abschnitt Linz – Marchtrenk

Das Bundesverwaltungsgericht hat den Beschwerden einer Standortgemeinde, zweier Bürgerinitiativen sowie zweier Nachbarn gegen insgesamt vier Bescheide der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK), mit denen den antragstellenden Leitungsbetreiberinnen Genehmigungen zur Umlegung von Wasserleitungen erteilt wurden, stattgegeben und die angefochtenen Bescheide ersatzlos behoben.

Die in Beschwerde gezogenen Bescheide betreffen die Umlegung von Wasserleitungen im Zusammenhang mit dem viergleisigen Ausbau der Westbahnstrecke im Abschnitt Linz – Marchtrenk, für den das Bundesverwaltungsgericht im April 2020 die UVP-Grundsatzgenehmigung erteilte. Um diesen Ausbau in Angriff nehmen zu können, ist es erforderlich, verschiedene querende Einbauten umzulegen und damit das Baufeld für den Eisenbahnbau freizumachen. Davon betroffen sind auch einige Wasserleitungen, für die die jeweiligen Leitungsbetreiberinnen entsprechende Änderungsprojekte ausgearbeitet und bei der BMK zur Genehmigung nach dem Wasserrechtsgesetz eingereicht haben.

Der zuständige Richtersenat des Bundesverwaltungsgerichts folgte im Wesentlichen der Argumentation der Beschwerdeführer/innen und kam zum Schluss, dass nicht die BMK als UVP-Behörde, sondern die Wasserrechtsbehörde zur Durchführung der wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren und zur Erlassung der angefochtenen Bescheide zuständig gewesen wäre. Dies deshalb, weil die beantragten Wasserleitungsumlegungen lediglich sogenannte „Baufeldfreimachungen“ sind, die keinen ausreichend engen Zusammenhang zum Eisenbahnvorhaben aufweisen und daher nicht Teil dieses Vorhabens sind. Die BMK hätte die Anträge folglich an die dafür zuständige Wasserrechtsbehörde weiterleiten müssen, anstatt die Genehmigungsverfahren selbst durchzuführen.

Die Leitungsbetreiberinnen werden daher für die Wasserleitungsumlegungen neuerliche wasserrechtliche Genehmigungsverfahren zu beantragen haben, die von der dafür zuständigen Wasserrechtsbehörde durchzuführen sind.

Erkenntnis vom 22.11.2021, W248 2244480-1/15E u.a.


Keine Wohnkostenbeihilfe für Präsenz- oder Zivildiener in Wohngemeinschaften: VfGH hebt Wortfolge nach Gesetzesprüfungsanträgen des BVwG auf

Das BVwG sah in § 31 Abs 2 Ziffer 2 des Heeresgebührengesetzes (HGG 2001) einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot, weil darin Untermieter in Wohngemeinschaften nicht erfasst waren. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) erkannte zu Recht und hob dessen Wortfolge „als Eigentümer oder Miteigentümer oder Hauptmieter“ als verfassungswidrig auf. Die Norm gilt aufgrund einer Verweisung auch für Zivildiener.

In § 31 HGG 2001 ist geregelt, wer während des Wehrdienstes Anspruch auf finanzielle Unterstützung bei der Beibehaltung seiner eigenen Wohnung hat. Drei Präsenzdienern wurde der Antrag auf Wohnkostenbeihilfe vom Heerespersonalamt mit der Begründung abgewiesen, dass sie keine eigene Wohnung haben, sondern Untermieter eines Zimmers in einer Wohngemeinschaft sind. Sie erhoben deshalb Beschwerde an das BVwG.

Das BVwG führte in drei Gesetzesprüfungsanträgen an den VfGH begründend aus, dass der Ausschluss von Untermietern als Anspruchsberechtigte vom Gesetzgeber nicht bezweckt gewesen sein könne, weil die Untermiete in der Praxis die häufigste Form darstelle. Aus der Regierungsvorlage zur Norm, die am 01.12.2019 in Kraft getreten ist, gehe deutlich hervor, dass der Gesetzgeber all jene habe einbeziehen wollen, die sich aufgrund ihrer Lebensumstände keine eigene Wohnung leisten können und denen während ihres Präsenzdienstes der Verlust der Unterkunft drohe. Das sei auch bei Untermietern der Fall und deren Ausschluss daher sachlich nicht gerechtfertigt.

Der VfGH teilt in seinem Erkenntnis vom 07.03.2022 die Rechtsansicht des BVwG und hält fest, dass vom Gesetzgeber durch die Wortfolge „als Eigentümer oder Miteigentümer oder Hauptmieter“ eine „überschießende Regelung getroffen“ wurde, „für die keine sachliche Rechtfertigung besteht“.

 Die Bundesregierung erstattete zu den Anträgen des BVwG Äußerungen an den VfGH und brachte unter anderem vor, dass sich Untermieter nicht in einer mit Hauptmietern vergleichbaren Situation befänden. Ein Untermietverhältnis werde leichter begründet und sei auch leichter wieder zu lösen. Darüber hinaus würde die getroffene Beschränkung Missbrauch – wie dem Abschluss fingierter Untermietverhältnisse zwischen Familienmitgliedern – Einhalt gewähren.

 Dazu entgegnete der VfGH, dass der Gesetzgeber gemäß Art. 9a Abs. 3 B-VG dafür Sorge tragen müsse, dass ein Präsenzdiener während der Ableistung seines Präsenzdienstes versorgt ist. Aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) sowie aus einem früheren Erkenntnis des VfGH zu einer älteren Gesetzgebung betreffend die Wohnkostenbeihilfe für Präsenzdiener gehe klar hervor, dass der „Zweck des Anspruches auf Wohnkostenbeihilfe die Sicherung der Beibehaltung der Wohnung des Wehrpflichtigen“ sei. „[E]r soll davor bewahrt werden, dass er seiner Wohnung deshalb verlustig geht, weil er mangels eines Einkommens während der Leistung des betreffenden Dienstes das für die Wohnung zu entrichtende Entgelt nicht aufbringen kann.“

Der VfGH folgte der Argumentation des BVwG weiters dahingehend, dass nicht anzunehmen sei, dass der Gesetzgeber damit allfälligem Missbrauch der Beihilfe zuvorkommen wollte. Diesem sei mit der vorgesehenen Überprüfung des Melderegisters sowie der Offenlegung der Familienverhältnisse der betreffenden Person leicht beizukommen. Die angefochtene Regelung beschränkt sich jedoch nicht darauf, diesen Fällen entgegenzuwirken.

Daher hält der VfGH fest: „Im vorliegenden Fall hat der Gesetzgeber den ihm eingeräumten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum überschritten und die angefochtene Bestimmung mit Gleichheitswidrigkeit belastet.“ Die Wortfolge „als Eigentümer oder Miteigentümer oder Hauptmieter“ in § 31 Abs. 2 Z 2 Heeresgebührengesetz 2001 (HGG 2001), BGBl. I 31/2001, idF BGBl. I 102/2019 ist daher wegen Verstoßes gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz gemäß Art. 7 B-VG als verfassungswidrig aufzuheben. Die Aufhebung tritt gemäß Art. 140 Abs. 5 B-VG mit Ablauf des 30.06.2023 in Kraft.

Beschluss vom 15.06.2021, W208 2242536-1/2Z

Beschluss vom 27.10.2021, W208 2243953-1/4Z

Beschluss vom 04.11.202, W170 2247515-1/2Z

Erkenntnis des VfGH vom 07.03.2022


Lernsieg-App entspricht Datenschutzgrundverordnung

Bundesverwaltungsgericht weist Beschwerde eines Lehrers gegen Bescheid der Datenschutzbehörde ab

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat die Entscheidung der Datenschutzbehörde vom 08.09.2020 bestätigt, wonach die berechtigten Interessen der Allgemeinheit das Recht auf Geheimhaltung im konkreten Fall überwiegen.

Der Lehrer einer HTL in Kärnten sah sich dadurch in seinem Recht auf Geheimhaltung gemäß Datenschutzgesetz (Art. 1 DSG) verletzt, dass er durch die Bewertungen mit seinem vollen Namen, Amtstitel, Beruf und der zugehörigen Schule in der App Lernsieg aufscheint. In seiner Beschwerde brachte der Pädagoge vor, dass die Preisgabe dieser Daten keinen Mehrwert für deren Nutzer/innen bringe. Die Nennung eines Namenskürzels auf der Website wäre für den Zweck der Bewertung ausreichend. Potenzielle Schüler/innen hätten ohnehin kaum Einfluss auf die Wahl ihrer Lehrer/innen, weshalb die Bewertung seiner Person für die Schulwahl unerheblich sei.

Die Lernsieg Mobile Medien GmbH entgegnete als mitbeteiligte Verfahrenspartei, dass deren Datenverarbeitung von der belangten Behörde, der Datenschutzbehörde, bereits auf datenschutzrechtliche Rechtmäßigkeit und Zulässigkeit geprüft worden sei. Dieses Prüfverfahren ist ohne Erteilung von Auflagen eingestellt worden (DSB-D213.953).

Der verfahrensführende Senat, bestehend aus einer Richterin und zwei Laienrichtern, hat entschieden, dass das „Interesse der Schüler, Eltern, Angehörigen und der Bevölkerung an einer Qualitätsverbesserung und Transparenzsteigerung im Unterricht sowie das Interesse der Schüler ihre Meinung über die Unterrichtsqualität kundzutun“ entsprechend der höchstgerichtlichen Judikatur in diesem Fall höher zu gewichten sei als das Interesse des Lehrers an der Geheimhaltung seiner Daten.

Das berechtigte Interesse der Dritten diene „der Ausübung des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit nach Art. 11 GRC und Art. 10 EMRK.“

Auch das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens werde nicht verletzt, da die Bewertungen in der App ausschließlich die berufliche Sphäre des Lehrers beträfen. Persönliche Angriffe in Form von Hasskommentaren können ausgeschlossen werden, da es auf der App keine Möglichkeit gibt, freie Kommentare zu posten.

Erkenntnis vom 20.10.2021, W252 2236355-1/4E


Vorlageantrag an den EuGH zur Auslegung des Art. 15 Abs. 3 DSGVO

Zu klären ist die Frage, wie der Begriff der „Kopie“ verarbeiteter personenbezogener Daten im Rahmen eines Auskunftsersuchens auszulegen ist

Das Bundesverwaltungsgericht hat dem EuGH zur Klärung einer Rechtssache Fragen zur Auslegung des Art. 15 Abs. 3 DSGVO vorgelegt. Konkret geht es um die Frage, wie im Rahmen eines Auskunftsersuchens einer Person, deren personenbezogene Daten verarbeitet wurden, der Begriff der „Kopie“ auszulegen ist. Der Wortlaut in Art. 15 Abs. 3 DSGVO lautet dazu wie folgt:

„Der Verantwortliche stellt eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Für alle weiteren Kopien, die die betroffene Person beantragt, kann der Verantwortliche ein angemessenes Entgelt auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen. Stellt die betroffene Person den Antrag elektronisch, so sind die Informationen in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen, sofern sie nichts anderes angibt.“

Im konkreten Fall, der zu dem Vorlageantrag geführt hat, hatte der Beschwerdeführer eine Beschwerde bei der Datenschutzbehörde wegen mangelhafter Beantwortung eines Auskunftsbegehrens eingebracht. In seiner Beschwerde kritisierte er unter anderem, dass ihm keine Datenkopie übermittelt worden sei. Die Datenschutzbehörde wies die Beschwerde im Wesentlichen ab. Gegen diese Entscheidung erhob der Betroffene Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit Teilerkenntnis vom 09.08.2021 entschied der aus einer Richterin und zwei Laienrichter/innen bestehende Senat unter anderem, der Beschwerde in Bezug auf eine unzureichende Auskunft über die Speicherdauer bzw. die Kriterien für die Festlegung der Speicherdauer und die Verletzung von Informationspflichten nach Art. 14 Abs. 1 lit. e DSGVO teilweise stattzugegeben.  

Über den Beschwerdepunkt betreffend die Herausgabe einer Datenkopie wurde aber keine inhaltliche Entscheidung getroffen, sondern beschlossen, die Frage der Auslegung des Begriffs der „Kopie“ dem EuGH für die Entscheidung wesentlicher unionsrechtlicher Fragen vorzulegen. In seinem Vorlageantrag stellt der Senat Beispiele einer extensiven und restriktiven Auslegung des Art. 15 Abs. 3 DSGVO einander gegenüber.

Laut Vertreterinnen/Vertretern der restriktiven Auslegung entspreche es nicht dem Sinn und Zweck der Norm, dass der Begriff „Kopie“ in Abs. 3 zu einer weiteren Herausgabe von Daten verpflichte. Unter „Kopie“ sei lediglich eine Liste der verarbeiteten personenbezogenen Dokumente zu verstehen und nicht eine Reproduktion der Originaldokumente, in denen diese Daten verarbeitet worden sind. Der Begriff „Kopie“ sei ferner im Kontext des Entgelts zu verstehen, das der Verantwortliche verrechnen kann, wenn „weitere Kopien“ verlangt werden.

Im Gegenzug sehen die Anhänger/innen einer extensiven Auslegung Abs. 3 als Erweiterung des Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Er soll der Person, die das Auskunftsbegehren stellt, ermöglichen, direkten Zugang zu der Rohfassung der Daten zu erhalten. Diese soll der Verantwortliche gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO dann in Form einer originaltreuen „Kopie“ ganzer Dokumente übermitteln.

Beschluss vom 09.08.2021 , W211 2222613-2/12E


Abweisung der Beschwerde eines Verkäufers von kartenlosen CI+ Modulen gegen einen Bescheid des Künstler-Sozialversicherungsfonds

Auch kartenlose CI+ Module sind nach dem Kunstförderungsbeitragsgesetz (KFBG) abgabepflichtig. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) wurde zur Klärung offener Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für zulässig erklärt. 

Im Fall des Beschwerdeführers, einem Großhändler im Bereich Unterhaltungselektronik, war rechtlich strittig, ob sogenannte CI+ Module, die von der Firma in Verkehr gebracht wurden, ebenfalls einer Abgabepflicht unterliegen.
Im vierten Quartal 2019 gab die Firma beim Künstler-Sozialversicherungsfonds gegenüber dem Vorquartal um 37 % weniger meldepflichtige Geräte an. Ein Umstand, der der Behörde auffiel, weshalb von der Firma eine Stellungnahme zum Rückgang der Geräte angefordert wurde.  Der Händler begründete den Rückgang unter anderem damit, dass im vierten Quartal vermehrt Geräte in Verkehr gebracht worden seien, die dem KFBG nicht unterliegen würden, sogenannte kartenlose CI+ Module. Der Künstler-Sozialversicherungsfonds ordnete für die CI+ Module eine Abgabe von 78.702 Euro an, die Firma erhob daraufhin gegen den Bescheid Beschwerde an das BVwG.
Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass CI+ Module lediglich bereits empfangene Signale entschlüsseln würden und allein nicht in der Lage seien, Rundfunksendungen über Satellit zu empfangen, sodass sie weder als Receiver noch als Decoder kategorisiert werden könnten. Außerdem gäbe es die Module seit 17 Jahren und noch nie zuvor sei dafür eine Abgabe nach dem KFBG vorgeschrieben worden. Ein SAT-Receiver mit CI-Schnittstelle in Kombination mit einem CI+ Modul wäre dann doppelt abgabenpflichtig, obwohl das Kulturprogramm dadurch nicht erweitert würde.
Das BVwG hat die Beschwerde der Firma abgewiesen. Zum strittigen Sachverhalt, ob es sich bei CI+ Modulen nun um Geräte handle, die zum Empfang von Rundfunksendungen über Satellit bestimmt sind, wurde seitens des BVwG festgehalten, dass ein CI+ Modul „streng technisch gesehen nicht dieselben Funktionalitäten wie ein Decoder aufweist“, jedoch dazu bestimmt sei, „durch ‚Empfang‘ eines verschlüsselten Signales und dessen Weiterverarbeitung den Konsum eines bestimmten – erweiterten - Rundfunkangebotes zu ermöglichen.“ Die von der Firma in Verkehr gebrachten Geräte erfüllten daher die Voraussetzungen für die Abgabepflicht nach dem KFBG.
Die Revision an den VwGH wurde für zulässig erklärt, da Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung zu lösen waren. Insbesondere fehle es an einer Rechtsprechung des VwGH zur Frage, ob Geräten, die nur im Zusammenwirken mit anderen Geräten – die selbst bereits der Abgabepflicht des § 1 Abs 1 Z 3 KFBG unterlägen – den erweiterten Rundfunkempfang ermöglichen, einer eigenständigen Abgabepflicht des KFBG unterliegen.

Erkenntnis vom 16.7.2021, W201 2238188-1/2E


Windpark Stubalm 

Der „Windpark Stubalm“ darf gemäß Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G 2000) in geänderter Form mit zahlreichen Nebenbestimmungen errichtet werden. Von den beantragten 20 Windenergie-Anlagen (WEA) genehmigte die Steiermärkische Landesregierung als UVP-Behörde im April 2018 17 Stück. Nunmehr wurde die Anzahl der WEA durch den zuständigen Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf 18 WEA festgelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerden der Umweltanwältin des Landes Steiermark, zahlreicher Umweltorganisationen, mehrerer Einzelpersonen sowie der Projektwerberin behandelt. Im Beschwerdeverfahren wurden umfangreiche ergänzende Ermittlungstätigkeiten unter Heranziehung von Sachverständigen aus diversen Fachgebieten durchgeführt und die Ermittlungsergebnisse mit den Verfahrensparteien an mehreren Verhandlungstagen erörtert.

Der Windpark Stubalm befindet sich laut Sachprogramm Windenergie (SAPRO), einer Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung, in einer Vorrangzone für die Errichtung von Windkraftanlagen. Die Rechtmäßigkeit des SAPRO als widmungsrechtliche Grundlage wurde im Beschwerdeverfahren seitens der beschwerdeführenden Parteien bestritten. Inhaltlich bemängelten die Beschwerdeführer/innen zudem, dass die Steiermärkische Landesregierung die Fachbereiche Landschaftsbild und Naturschutz unzureichend geprüft habe, die Lipizzanerheimat durch die Errichtung des Windparks gefährdet sei und es für Nachbarn/Nachbarinnen zu erheblichen Schallbelästigungen komme.

Der zuständige Senat kam zum Schluss, dass das öffentliche Interesse an der Errichtung des Vorhabens (Erzeugung erneuerbarer Energien) das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes überwiegt und nach Maßgabe der Novelle des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes 2017 (StNSchG 2017) aus dem Jahr 2019 keine zusätzlichen Ausgleichsmaßnahmen erforderlich sind. Darüber hinaus stellte der Senat fest, dass es nach Maßgabe der vorgesehenen Auflagen zu keiner Verletzung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände (Tötungsverbot, Störungsverbot, Zerstörungsverbot) kommt und das Vorhaben unter entsprechenden Auflagen aufgrund der vorgenommenen Projektänderungen auch schalltechnisch umweltverträglich ist. Schließlich bestehen weder Bedenken in Hinblick auf die Erhaltung der Lipizzanerzucht noch in Hinblick auf eine allfällige Substanzvernichtung in Bezug auf benachbarte Betriebe. 

Erkenntnis vom 04.10.2021, W118 2197944-1/182E


Kommunikationsplattformen-Gesetz steht mit EU-Recht im Einklang

Beschwerden dreier Kommunikationsplattformen abgewiesen.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) entschied über Beschwerden von drei internationalen Kommunikationsplattformen gegen die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria), nachdem letztere in Feststellungsbescheiden klarstellte, dass erstere dem Kommunikationsplattformen-Gesetz – besser bekannt als Maßnahmen gegen Hass im Netz – unterliegen. Die jeweils dreiköpfigen Richter/innensenate des BVwG haben die Beschwerden dreier Kommunikationsplattformen abgewiesen, die Revision jedoch zugelassen.

Das Bundesgesetz über Maßnahmen zum Schutz der Nutzer auf Kommunikationsplattformen – kurz Kommunikationsplattformen-Gesetz (KoPl-G) – trat mit 1. Jänner 2021 in Kraft. Die Internetplattformen beantragten in der Folge bei der zuständigen Behörde KommAustria per Bescheid festzustellen, dass sie nicht in den Anwendungsbereich des KoPl-G fallen. Die KommAustria kam jedoch zum gegenteiligen Ergebnis. Dagegen erhoben die Plattformenbetreiber das Rechtsmittel der Beschwerde.

Die Richter/innensenate des BVwG sehen die österreichische Rechtslage einschließlich des KoPl-G als einer Auslegung im Einklang mit dem Unionsrecht zugänglich. Die Richter/innensenate beschäftigten sich umfassend mit den Vorbringen in den Beschwerden und stützten ihre Erkenntnisse auf umfangreiche Entscheidungsgründe.

Miteinzubeziehen waren – angesichts des Sitzes der beschwerdeführenden Gesellschaften im EU-Ausland – nicht nur die E-Commerce-Richtlinie (E-Commerce-RL), sondern auch die EU-Grundrechtscharta sowie weitere unionsrechtliche Bestimmungen. Einen besonderen Aspekt stellten jene Plattformen dar, die unter die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL) fallen. Diesbezüglich fallen lediglich die Kommentare unter das KoPl-G.

Das KoPl-G stelle nur den gesetzlichen Rahmen dar und unterliegt damit noch nicht den laut der E-Commerce-RL erforderlichen unionsrechtlichen Meldevorgängen an die EU-Kommission sowie den Niederlassungsstaat. Dies wäre jedoch im Fall der Erlassung künftiger Maßnahmen in Form von Bescheiden auf Grund des KoPl-G – einschließlich der Verhängung von Strafen – geboten, entschieden die Richter/innensenate.

Die Richter/innensenate haben die Revision für zulässig erklärt, weil bislang eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) zur Frage der Vereinbarkeit des KoPl-G mit den Bestimmungen der E-Commerce-RL und der AVMD-RL fehlt. Im Fall einer Revision könnte höchstgerichtliche Judikatur geschaffen werden, die sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit das KoPl-G auf in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Dienstanbieter anzuwenden ist. 

Erkenntnis vom 28.09.2021, W234 2243172-1/11E

Erkenntnis vom 28.09.2021, W195 2241960-1/6E

Erkenntnis vom 28.09.2021, W195 2242336-1/10E


Keine Genehmigung der S 8 Marchfeld Schnellstraße aufgrund mangelhaften Behördenverfahrens möglich

BMK muss Alternativenprüfung gem. Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie bzw. NÖ Naturschutzgesetz nachholen

Das UVP-Verfahren zur S 8 Marchfeld Schnellstraße wurde vom Bundesverwaltungsgericht aufgrund von Mängeln im Behördenverfahren und der Missachtung naturschutz- und artenschutzgesetzlicher Bestimmungen an das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) zurückverwiesen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerden von insgesamt 18 Parteien gegen den UVP-Bescheid, mit dem der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie die Errichtung der S 8 Marchfeld Schnellstraße genehmigt hat, behandelt. Die Beschwerden wurden von sechs Bürgerinitiativen, die zusammen mindestens 1.200 Bürgerinnen und Bürger aus betroffenen Gemeinden vertreten haben, von zwei anerkannten Umweltorganisationen sowie von zehn vom Projekt betroffenen Nachbarinnen und Nachbarn eingebracht.

Im Beschwerdeverfahren wurden ergänzende Ermittlungstätigkeiten unter Heranziehung von Sachverständigen aus mehreren Fachgebieten durchgeführt. Die Ermittlungsergebnisse wurden mit den Verfahrensparteien an mehreren Verhandlungstagen erörtert. Inhaltlich war das Verfahren komplex: Neben dem behördlichen Verfahrensakt des UVP-Verfahrens waren auch Unterlagen des Vorprojekts aus dem Jahr 2008, die Strategische Prüfung Verkehr für die Marchfeld Straße aus dem Jahr 2005 und Unterlagen zum Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen Österreich aus dem Jahr 2001 zu berücksichtigen. Darüber hinaus wurden von den Verfahrensparteien im Beschwerdeverfahren neue Gutachten sowie umfangreiche Korrekturen und Ergänzungen der Projektunterlagen eingebracht. Auf Basis dieser umfangreichen Beweismittel führte der aus drei Berufsrichtern bestehende Richtersenat eine Prüfung der Beschwerden durch.

Nach der ersten mündlichen Beschwerdeverhandlung im Februar 2020 stand für den Richtersenat fest, dass die Trasse der S 8 durch den Lebensraum des Triels geführt werden soll. Diese Vogelart ist sowohl nach der Vogelschutzrichtlinie der Europäischen Union (VSch-RL) als auch nach der NÖ Artenschutzverordnung geschützt und in Österreich vom Aussterben bedroht. Der betroffene Teil des Lebensraums des Triels hätte als Vogelschutzgebiet ausgewiesen werden müssen. Das Schutzgebiet „Sandboden und Praterterrasse“ war jedoch im Jahr 2009 von der NÖ Landesregierung zu klein ausgewiesen worden. Die nicht ausgewiesenen Teile stellten daher ein sogenanntes „faktisches Vogelschutzgebiet“ dar, in das gemäß der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) kein Eingriff erfolgen darf. Nach dem damaligen Stand des Beschwerdeverfahrens (Februar 2020) hätte das Bundesverwaltungsgericht den Antrag auf Durchführung der UVP für die Errichtung der S 8 abweisen müssen.

Mitte April 2020 – offenbar in unmittelbarer Reaktion auf das oben dargestellte Verhandlungsergebnis – weitete die Naturschutzabteilung der NÖ Landesregierung die Gebietsgrenzen des Europa­schutzgebietes „Sandboden und Praterterrasse“ um zusätzliche Flächen im Trassenbereich der S 8 aus. Da durch diese Ausweitung des Vogelschutzgebietes eine geänderte Sach- und Rechtslage vorlag, war das Beschwerdeverfahren durch das Bundesverwaltungsgericht fortzusetzen und die Auswirkungen der S 8 auf das nun erweiterte Vogelschutzgebiet zu überprüfen (Erheblichkeitsprüfung).

Im fortgesetzten Verfahren kam der Richtersenat zu dem Ergebnis, dass der Bau und der Betrieb der S 8 mit den Schutzzielen der relevanten Naturschutzbestimmungen nicht im Einklang steht – insbesondere dem Erreichen eines günstigen Erhaltungszustandes für den Triel. Die Realisierung der S 8 würde zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Vogelschutzgebiets führen. Nach Vorgabe des Art. 6 Abs. 4 Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) bzw. § 10 NÖ Naturschutzgesetz 2000 (NÖ NSchG 2000) ist somit eine sogenannte Alternativenprüfung durchzuführen. Bei dieser ist zu klären, ob keine alternative Trassenführung möglich ist, die zu geringeren Auswirkungen führt, und ob zwingende Gründe des öffentlichen Interesses das Interesse des Naturschutzes überwiegen (Interessensabwägung).

Das Beschwerdeverfahren hat zudem ergeben, dass die Bestimmungen des Artenschutzes sowohl betreffend den Triel als auch das Ziesel durch den Bau und den Betrieb der S 8 verletzt werden. Auch in einem solchen Fall ist eine Errichtung unter den beschriebenen Voraussetzungen (Alternativenprüfung und Interessensabwägung) möglich.

Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hat sich schließlich ergeben, dass weder in der Strategischen Prüfung Verkehr noch im Bewilligungsverfahren der Behörde eine ausreichende Alternativenprüfung stattgefunden hat. Aus Sicht des Richtersenats war das Behördenverfahren deshalb bereits zum Zeitpunkt der Vorlage der Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht mit einem Mangel behaftet. Da die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat und diese Ermittlungen (insbesondere die Alternativenprüfung) nur durch ein zeit- und kostenaufwändiges Verfahren durch das Bundesverwaltungsgericht nachgeholt werden könnten, wurde das Verfahren zur Ergänzung an die Behörde zurückverwiesen.

Die Behörde hat nunmehr in einem fortgesetzten Ermittlungsverfahren eine fundierte Alternativenprüfung für verschiedene mögliche Verkehrslösungen nachzuholen und (falls sie zu dem Ergebnis kommt, dass die beantragte Streckenführung die naturverträglichste ist) darauf aufbauend eine Interessensabwägung durchzuführen. Entsprechend der Ergebnisse dieser Prüfschritte hat die Behörde das Verfahren zu ergänzen oder (falls sie zum Ergebnis kommt, dass die beantragte Streckenführung nicht die naturverträglichste ist) den Bewilligungsantrag abzuweisen.

Beschluss vom 13.09.2021, W109 2220586-1/414E


S 1 Wiener Außenring Schnellstraße, Schwechat - Süßenbrunn, 1. Verwirklichungsabschnitt Groß-Enzersdorf - Süßenbrunn

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerden von Bürgerinitiativen, anerkannten Umweltorganisationen sowie von Nachbarinnen/Nachbarn gegen die wasserrechtlichen und naturschutzrechtlichen Bewilligungen für den Nordabschnitt der S1 Wiener Außenring Schnellstraße behandelt. Dabei wurden umfangreiche ergänzende Ermittlungstätigkeiten unter Heranziehung von Sachverständigen aus diversen Fachgebieten durchgeführt und die Ermittlungsergebnisse mit den Verfahrensparteien an mehreren Verhandlungstagen erörtert.

Der zuständige Senat kam zum Schluss, dass die angefochtenen Bescheide teilweise abzuändern sind. Für die Realisierung des ersten Verwirklichungsabschnitts der S1 Wiener Außenring Schnellstraße liegen somit nunmehr alle Genehmigungen rechtskräftig vor.

Nachdem das Bundesverwaltungsgericht das (gesamte) Bundesstraßenbauvorhaben der S1 Wiener Außenring Schnellstraße (Abschnitt Schwechat – Süßenbrunn) bereits im Mai 2018 genehmigte, folgten nun die wasserrechtlichen und naturschutzrechtlichen Bewilligungen für den ersten Verwirklichungsabschnitt. Eine derartige Aufteilung des UVP-Verfahrens ist im dritten Abschnitt des UVP-Gesetzes vorgesehen, worunter auch das Bundesstraßenbauvorhaben der S1 Wiener Außenring Schnellstraße (Schwechat – Süßenbrunn) fällt.

Die Ergebnisse der behördlichen Verfahren der Landeshauptleute von Wien und Niederösterreich betreffend die wasserrechtlichen Bewilligungen wurden durch den Senat des Bundesverwaltungsgerichts im Wesentlichen bestätigt. Das Beschwerdeverfahren ergab, dass weder eine Beeinträchtigung des Grundwassers noch von Oberflächengewässern zu befürchten ist. In Bezug auf die naturschutzrechtlichen Bewilligungen ergänzte der Senat die behördlichen Verfahren der Wiener Umweltschutzabteilung (MA 22) und der BH Gänserndorf in wesentlichen Punkten. So wurden umfangreiche zusätzliche Auflagen zum Schutz betroffener Vögel, Fledermäuse und sonstiger Kleintiere erlassen. Darüber hinaus wurden zahlreiche Maßnahmen zur Erhaltung der Erholungswirkung der Landschaft auf den Weg gebracht. Im Übrigen wurden die Beschwerden abgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Entscheidung aus Sicht des Senats nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Für den zweiten Verwirklichungsabschnitt, die Tunnelstrecke zwischen Groß-Enzersdorf und Schwechat („Lobautunnel“), liegen derzeit noch nicht alle behördlichen Genehmigungsverfahren vor. Erst nach Vorliegen der behördlichen Genehmigungen können allfällige dagegen erhobene Beschwerden vom Bundesverwaltungsgericht behandelt werden.

BVwG-Erkenntnis vom 12.04.2021 W104 2223378-1/102E und W104 2223821-1/14E (naturschutzrechtliches Verfahren)

BVwG-Erkenntnis vom 12.04.2021 W104 2226044-1/57E und W104 2225343-1/15E (luftfahrt- und wasserrechtliches Verfahren)


S34 Traisental Schnellstraße

Das Bauvorhaben „S34 Traisental Schnellstraße St. Pölten/Hafing (B1) – Knoten St. Pölten/West (A1) – Wilhelmsburg Nord (B20)“ darf gemäß Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz durchgeführt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerden zahlreicher Nachbarinnen/Nachbarn, zweier Bürgerinitiativen und mehrerer Umweltorganisationen behandelt, umfangreiche ergänzende Ermittlungstätigkeiten unter Heranziehung von Sachverständigen aus diversen Fachgebieten durchgeführt und die Ermittlungsergebnisse mit den Verfahrensparteien an mehreren Verhandlungstagen erörtert.

Der zuständige Senat kam nach eingehender Bewertung aller Ermittlungsergebnisse zum Schluss, dass der Bescheid in Teilen abzuändern ist. Dabei wurde insbesondere dem Schutz des Wachtelkönigs Rechnung getragen: Für die Erhaltung seiner Lebensräume werden Ausgleichsflächen im Ausmaß von 28.183 m2 geschaffen, deren dauernde Rodung durch das Gericht bewilligt wurde. Der damit einhergehende Verlust von Waldfunktionen wird durch Maßnahmen zur Verbesserung des Waldzustandes (Strukturverbesserungen) in nahegelegenen Wäldern kompensiert. Im Detail sind Ausgleichsmaßnahmen im Verhältnis 1:3 vorgesehen; es sollen also insgesamt 84.549 m² Waldfläche strukturell verbessert werden.

Zusätzliche Maßnahmen wurden durch den Senat insbesondere zum Verkehr sowie zum Lärm vorgeschrieben. Das Begehren der Beschwerdeführer/innen, aufgrund des aus ihrer Sicht enormen Bodenverbrauchs hochwertiger landwirtschaftlicher Flächen Ersatzgrundstücke zur Verfügung zu stellen, wurde abgewiesen. Der Senat wies auch die übrigen Begehren und Anträge der Beschwerdeführer/innen ab. Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Entscheidung aus Sicht des Senats nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Im kürzlich abgeschlossenen – ebenfalls die S34 betreffenden – behördlichen Naturschutzverfahren (Genehmigungsverfahren gemäß § 24 Abs. 3 UVP-G 2000 iVm NÖ StraßenG und NÖ NSchG) wurden durch die Niederösterreichische Landesregierung naturschutzfachliche Auflagen vorgeschrieben. Sofern dagegen Beschwerde erhoben wird, würde diese demnächst ebenfalls beim Bundesverwaltungsgericht anhängig werden.

BVwG-Erkenntnis vom 06.04.2021 W102 2227523-1/193E


Datenschutzverfahren Österreichische Post

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat kürzlich folgende Entscheidungen getroffen: 

  1. Das BVwG hat den Bescheid der Datenschutzbehörde (DSB) bestätigt, wonach die Verarbeitung der Datenart "Parteiaffinität" ohne Einwilligung der Betroffenen rechtswidrig war und die Verarbeitung der "Parteiaffinitäten" zu unterlassen ist. (Teilerkenntnisse vom 20.08.2020, W258 2217446-1/15E und vom 26.11.2020, W258 2217446-1/35E).
  2. Das Straferkenntnis der Datenschutzbehörde, mit dem eine Geldbuße von 18 Millionen Euro gegen die Post AG verhängt wurde, hat das BVwG aufgehoben und das Strafverfahren beendet. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war ein höchstgerichtliches Erkenntnis in Kombination mit einem Formfehler. So hat der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) in seinem Erkenntnis vom 12.05.2020, Ro 2019/04/0229, ausgesprochen, dass es für die Verhängung einer Geldbuße über eine juristische Person erforderlich ist, ein tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten einer natürlichen Person, das der juristischen Person zugerechnet werden soll, darzutun und in den Spruch aufzunehmen.
    Die Datenschutzbehörde hat dies verabsäumt und in ihrem Spruch keine natürliche Person genannt, der das schuldhafte Verhalten der Post AG zuzurechnen war. Daher war das Straferkenntnis aufzuheben (Erkenntnis vom 26.11.2020, W258 2227269-1/14E).
     
    Die Entscheidungen des BVwG sind in anonymisierter Form im Rechtsinformationssystem des Bundes (ris.bka.gv.at) veröffentlicht.

BVwG-Teilerkenntnis vom 20.08.2020 W258 2217446-1/15E

BVwG-Teilerkenntnis vom 26.11.2020 W258 2217446-1/35E

BVwG-Erkenntnis vom 26.11.2020 W258 2227269-1/14E


„Stadtstraße Aspern“ und „Anschlussstelle Seestadt Ost“

Die Vorhaben „Stadtstraße Aspern“ und „Anschlussstelle Seestadt Ost“ dürfen gemäß Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz errichtet werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Beschwerden einer Umweltorganisation, zweier Bürgerinitiativen sowie zahlreicher Nachbarn und Nachbarinnen gegen die behördlichen UVP-Genehmigungen teilweise Folge gegeben und zahlreiche weitere Maßnahmen vorgeschrieben.

Im Beschwerdeverfahren wurden umfangreiche ergänzende Ermittlungstätigkeiten unter Heranziehung von Sachverständigen aus diversen Fachgebieten durchgeführt und mit den Verfahrensparteien an insgesamt sieben Verhandlungstagen erörtert. Der zuständige Senat kam nach eingehender Bewertung aller Ermittlungsergebnisse zum Schluss, dass der verwaltungsbehördliche Bescheid in Teilen abzuändern ist. Zusätzliche Maßnahmen wurden insbesondere zum Lärmschutz, zur Luftreinhaltung sowie zur Vermeidung von Grundwasserverunreinigungen vorgeschrieben. Dem Begehren der Beschwerdeführer/innen auf Abweisung der Genehmigungsanträge oder Aufhebung der Genehmigungsentscheidungen hat das Gericht nicht stattgegeben. Die Revision wurde in Teilen zugelassen, weil aus Sicht des Gerichts bei der Entscheidungsfindung Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung zu lösen waren.

BVwG-Erkenntnis W270 2204219-1/158E


UVP-Verfahren 380-kV-Salzburgleitung

BVwG-Erkenntnis W155 2120762-1


Aufhebung der Sperre des Notstandshilfebezuges

BVwG-Erkenntnis W141 2207830-1/9E


Wiener Außenring Schnellstraße S 1 (Abschnitt Schwechat-Süßenbrunn, „Lobautunnel“) darf unter Einhaltung neuer Auflagen gebaut werden

BVwG-Erkenntnis W104 2108274-1/243E


Vereinigung „Kirche des fliegenden Spaghettimonsters“ erfüllt nicht die Kriterien einer religiösen Bekenntnisgemeinschaft

BVwG-Erkenntnis W170 2115136-1/112E


Dritte Piste des Flughafens Wien-Schwechat darf gebaut werden

BVwG-Erkenntnis W109 2000179-1/350E


A5 Nord/Weinviertelautobahn, Abschnitt Poysbrunn – Staatsgrenze

BVwG-Erkenntnis W104 2120271-1/202E


S7 - Fürstenfelder Schnellstraße

BVwG-Erkenntnis W225 2003050-1/50E


Linzer Westring (A 26)

BVwG-Erkenntnis W143 2017269-2/297E


Dritte Piste des Flughafens Wien-Schwechat darf nicht gebaut werden

BVwG-Erkenntnis W109 2000179-1/291E


"Semmering-Basistunnel neu" – Beschwerden betreffend die Bewilligung nach dem niederösterreichischen Naturschutzgesetz

BVwG-Erkenntnis W102 2012548-1/85E


Entscheidungen über Erteilung von Casino-Lizenzen

BVwG-Erkenntnis W139 2010500-1/81E

BVwG-Erkenntnis W139 2010504-1/74E

BVwG-Erkenntnis W139 2010508-1/71E, W139 2010508-2/41E


Verwirklichung des Vorhabens "Semmering-Basistunnel neu"

BVwG-Erkenntnis GZ W102 2009977-1/36E, W102 2012860-1/18E, W102 2010629-1/14E,
W102 2012548-1/15E, W102 2010608-1/16E, W102 2009137-1/16E, W102 2015000-1/11E


Zur Bereitstellung von „Apps“ nach dem ORF-Gesetz entschied das BVwG

BVwG-Erkenntnis GZ W120 2008698-1/6E


Keine GIS-Pflicht bei „reinem Internethaushalt“

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden:
Geräte, die aus dem Internet gestreamtes Radio wiedergeben (zB Notebooks), sind keine Rundfunkempfangseinrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 RGG, weshalb für derartige Geräte keine Programmentgeltpflicht gemäß § 31 Abs. 10 ORF-G besteht (Revision ist zulässig).

Auszug aus den Entscheidungsgründen zu W157 2008826-1/3E

BVwG-Erkenntnis GZ W157 2008826-1


Kötschach-Mauthen, 220kV-Leitung Weidenburg-Somplago, Erkenntnis

Der Genehmigungsantrag betreffend die Errichtung einer 220 kV-Starkstromfreileitung mit einer Länge von ca. 7,4 km von Weidenburg auf das Kronhofer Törl samt Umspannstation in Weidenburg in erster Instanz (Revision zulässig) wurde abgewiesen.

Eine Errichtung genau in diesem Landschaftskorridor ist nicht erforderlich, mag es sich dabei auch um eine besonders kurze Verbindung zwischen dem österreichischen und dem italienischen Übertragungsnetz handeln. Die Alternativenprüfung hat ergeben, dass die Errichtung auch mit einem anderen Verlauf  aus ökonomischer und ökologischer Sicht grundsätzlich machbar wäre. Die naturschutzrechtliche Interessenabwägung hat somit ergeben, dass den öffentlichen Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes größeres Gewicht als anderen, durch das Vorhaben geförderten, öffentlichen Interessen zukommt.

BVwG-Erkenntnis GZ W104 2000178-1/63E


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